Seit Januar 2013 ist der Fernverkehr in
Deutschland liberalisiert, das heißt, dass die Bahn ihr Monopol
verloren hat und ab sofort Fernbusse in ganz Deutschland eingesetzt
werden dürfen. Seitdem drängen immer mehr Fernbusanbieter auf den
Markt. Was viele nicht wissen: Die größte Deutsche Busgesellschaft
ist BerlinLinienBus, die der Bahn gehört und gegründet wurde, um
Berlin zur Zeit der Teilung besser an den öffentlichen Nahverkehr
anzuschließen.
Es wurde bereits viel über diese neuen Fernbusse geschrieben. Da ich Fernbusreisen aus Asien und Südamerika
sehr gut kenne, war ich gespannt, wie das ganze in Deutschland
umgesetzt wurde. Da ich über das Himmelfahrtswochenende aus privaten
Gründen nach Berlin wollte, entschied ich mich den Bus zu nehmen.
Das Ticket
Es gibt zwar inzwischen vier bis fünf
größere Fernbusunternehmen, aber das Streckennetz ist derzeit noch
recht übersichtlich. Allerdings kommen nahezu täglich neue Strecken
hinzu. Nach Berlin zu kommen ist vergleichsweise einfach, wenn man
aus einer anderen größeren Stadt startet. Ich selbst wohne in
Weinheim, zwischen Mannheim und Heidelberg. Das Unternehmen
MeinFernbus bietet eine Direktfahrt von Heidelberg über Darmstadt
und Frankfurt nach Berlin an. Bei allen anderen Unternehmen hätte
ich irgendwie umsteigen müssen. Ich entschied mich in Darmstadt
abzufahren. Das ist von mir aus mit der Bahn bequem in 25 Minuten zu
erreichen und der Bus hält direkt am Bahnhof.
Das Bestellen des Tickets im Internet
ist kinderleicht. Man gibt Start und Ziel ein, nennt das gewünschte
Datum und schon wird ein Preis und eine Verbindung ausgespuckt. Alles
sehr übersichtlich und leicht verständlich. Bezahlt werden kann per
Kreditkarte oder PayPal. Wer möchte kann beim Fahrkartenkauf auch
eine kleine Spende an MyClimate absetzen. Ob das wirklich der Umwelt
hilft sei mal dahin gestellt, aber es beruhigt das Gewissen.
Das Ticket bekommt man dann per Email
als PDF zugeschickt. Auf dem Ticket befindet sich ein QR-Code für
einen „Express Checkin“. Allerdings hat man mich beim Einstieg in
den Bus lediglich nach meinem Namen gefragt und mich auf einer Liste
abgehakt. Das ist auf jeden Fall angenehm unbürokratisch, aber eine
Expressmöglichkeit gab es da nicht. Vielleicht kommt das ja auch
noch.
Bequemlichkeit im Bus
Um 9 Uhr morgens sollte die knapp
achtstündige Fahrt beginnen. Etwa zwanzig vor 9 war ich in Darmstadt
an der Bushaltestelle. Der Bus hatte etwa 30 Minuten Verspätung und
fuhr somit erst gegen 9.30 Uhr ab.
Von innen war der Bus sehr bequem und
gut ausgestattet. Ähnlich wie bei Flugzeugen gibt es einen kleinen
Tisch, den man herunter klappen kann. An Board gibt es auch kleine
Snacks und Getränke, die man beim Fahrer käuflich erwerben kann.
Die Preise sind auch völlig in Ordnung. Interessant finde ich das
Konzept der „Vertrauenskasse“. Da wirft man - ohne dass
kontrolliert wird – den entsprechenden Betrag hinein. Sehr
angenehm.
Das erste Problem trat auf, als ich
meinen Laptop aufklappen wollte. Es handelt sich um einen kleinen
10-Zoll Eee-PC von Asus – einem PC also, der etwas kleiner ist als
ein DIN A4-Blatt. Leider passt selbst dieser Rechner nicht richtig auf den
kleinen Tisch und es ist schwierig das Display soweit zurück zu
klappen, dass es vernünftig betrachtbar ist. Wer seinen Laptop also
während der Fahrt nutzen möchte, sollte ihn auf die Knie legen, was
auf Dauer aber auch anstrengend sein kann. Steckdosen an den Plätzen
gibt es leider nicht. Lediglich der Platz an der hinteren Bustür hat
eine Mehrfachsteckdose für alle Passagiere. An diesem Platz sind
auch die Vordertische ein wenig anders und daher gut geeignet für
Laptops. Wer also den Laptop nutzen möchte, sollte direkt an der
hinteren Bustür sitzen.
Das WLAN funktionierte bei mir auf der
Strecke - bis auf wenige Ausnahmen - einwandfrei. Das war schon eine
tolle Sache. Wenn man bedenkt, dass die Bahn WLAN nur für einen
Haufen Geld und nur auf wenigen Strecken anbietet, ist das kostenlose WLAN im
Bus ein riesiger Fortschritt! Allerdings gibt es viele Berichte, dass
das WLAN nicht zuverlässig funktionieren würde. Ausnahmsweise kann
man der Busgesellschaft hier keinen Vorwurf machen. Das liegt nämlich
an der ziemlich miesen Netzabdeckung für mobiles Internet in Deutschland. Die Busse
beziehen das Internet über das UMTS/LTE-Netz und wer schon einmal
auf der Autobahn irgendwo zwischen zwei Orten versucht hat eine
Internetseite mit seinem Smartphone aufzurufen, weiß was ich meine.
Je dichter eine Region besiedelt ist, desto höher ist die
Wahrscheinlichkeit auf gutes Internet im Bus. Das ist übrigens auch
in den USA so. Als ich im November 2012 von New York nach Chicago mit
einem der berühmten Greyhoundbusse gefahren bin, hatte ich auch
Internet. Allerdings nur in urbanen Gebieten. Auf den Landstraßen im
mittleren Westen ist die Netzabdeckung auch nicht gerade berauschend.
Sitzplätze
Etwas negativ aufgestoßen ist mir die
fehlende Sitzplatzreservierung. An sich kein Problem, man setzt sich
eben irgendwo hin. Allerdings kann das zu merkwürdigen Ergebnissen
führen. In Alsfeld gibt es eine etwa 45minütige Pause für die
Busfahrer auf der Raststätte Pfefferhöhe. Hier mussten alle den Bus
verlassen. Allerdings sind hier auch Leute aus- und zugestiegen. Die
zugestiegenen Gäste haben sich einfach irgendwo hingesetzt und
wollten auch zusammen sitzen bleiben. Das führte dazu, dass andere
Leute sich plötzlich einen neuen Platz suchen mussten - unter anderem ich.
Grundsätzlich kein Problem für mich, aber das ist so eine
Situation, die potentiell für Probleme sorgt. Mit einer festen
Sitzplatzvergabe wäre das Problem elegant umschifft worden.
Vielleicht ändert sich das ja noch.
Der Bus von innen |
Bad Hersfeld
Bad Hersfeld ist der letzte Stopp vor
Berlin und scheint für MeinFernbus das zu sein, was Wolfsburg für
die Bahn ist: Auf der Hinfahrt hat der Busfahrer die Ausfahrt
verpasst und musste einen relativ langen Weg zurück fahren. Das hat
dann noch einmal etwa 45 Minuten zusätzlich gedauert. Danach fuhr
der Bus ohne große Verzögerungen nach Berlin durch und kam mit etwa
einer Stunde Verspätung am Zentralen Omnibusbahnhof an.
Fazit
Die Fernbusse sind eine tolle
Alternative zur Bahn – allerdings nicht für jedermann. Die
Zielgruppe sind vor allem junge Reisende. Gerade Backpacker oder
Leute mit Fernbeziehungen werden die Busse aufgrund ihres
unschlagbaren Preises zu schätzen wissen. Für Geschäftsleute oder
Menschen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem Ort sein müssen,
sind die Busse derzeit nicht zu empfehlen. Einerseits sind sie zu
langsam, andererseits sind ihre Ankunftszeiten zu unberechenbar.
Letzteres liegt vor allem am sehr dichten Verkehr in Deutschland. So
ein Bus steht eben auch im Stau.Dazu kommt die Taktrate. Mein Fernbus fährt täglich zweimal von Frankfurt nach Berlin - die Bahn stündlich.
Auch was den Komfort anbelangt ist die Bahn
den Bussen (noch) überlegen. Die sitze sind etwas breiter und
bequemer, man kann herum laufen und schneller ist sie auch – aber
auch deutlich teurer. Mich hat die ganze Fahrt, hin und zurück,
inklusive der Bahnfahrten von und nach Darmstadt (mit Bahncard 25)
67,20 Euro gekostet. Der Normalpreis der Bahn mit Bahncard 25 beträgt
190,50 Euro. Vom Preis/Leistungs-Verhältnis schlagen die Busse die
Bahn meines Erachtens um Längen. Interessanterweise schlägt der Bus sogar die Mitfahrzentralen - zumindest auf langen Strecken. Eine Fahrt Mannheim - Berlin kostet da etwa 25 - 40 Euro.
Es wird interessant sein zu sehen, wie
die Fernbusse den Reisemarkt aufmischen. Hier ist noch viel Potenzial
vorhanden. Denkbar sind zum Beispiel Luxus- oder Nachtbusse. Die Bahn
muss sich nun auf jeden Fall gegen eine starke Konkurrenz behaupten.
Die Gewinner sind am Schluss auf jeden Fall die Reisenden.
Wer übrigens Fragen an MeinFernbus
hat, kann sehr leicht per Facebook oder Twitter Fragen stellen. Vor
allem per Twitter bekommt man sehr nette Antworten.
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